Stormchase USA 2004 - Tag 9 (Index)

11.05.2004: Colby, KS

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Sterbende Gewitterzellen über Colby

Diesmal ist keine lange Autofahrt angesagt. Wir bleiben in Colby, denn hier gibt es gute Bedingungen für Tornados. Der Bodenwind weht mit 30 Knoten aus südöstlichen Richtungen. Die Winde in 1500m Höhe betragen im Mittel 55 Knoten aus Süd, in 3500m 40 Knoten aus Südwest. Wenn die Winde in verschiedenen Höhen aus unterschiedlichen Richtungen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten wehen, entsteht Scherung. Und starke Scherwinde fördern die Entstehung von Tornados.

Signal, das auf die starke Scherung hinweist ;-)



Die Winde sind allerdings fast zu stark. Als am frühen Nachmittag Cumulus Congestus Wolken entstehen, das sind Quellwolken, die eine Vorstufe zur Gewitterwolke sind, werden diese Wolken von den starken Winden zerrissen und können sich nicht zum Gewitter entwickeln. Wir bekommen langsam Zweifel, ob unsere Standortwahl richtig ist. Dann wird aber ein Tornado Watch herausgeben und Colby befindet sich genau in der Mitte des vorgewarnten Gebietes. Bald bildet sich der erste Cumulus Congestus, sprich Gewitterwolke.





Es ist allerdings nur eine kleine Zelle, die sich schnell wieder auflöst. Auf dem Radar ist dann zu sehen, wie sich südöstlich von uns zwei starke Gewitterzellen bilden und diese Gewitterzellen ziehen genau auf Colby zu. Kurz darauf wird eine Severe Thunderstorm Warning für diese Gewitterzellen ausgegeben. Da kommt dann bei uns Adrenalin auf: Wir stehen im Gebiet eines Tornado Watches und zwei starke Zellen, für die es akute Unwetterwarnungen gibt, ziehen direkt auf uns zu!



Der Cirrusschirm der Zellen ist schon weit über dem Horizont zu sehen und wir beschliessen, ein paar Meilen auf den Highway in östliche Richtung zu fahren, damit die Zelle knapp westlich an uns vorbeischrammt.



Als das Gewitter näher kommt, sieht es recht eindrucksvoll aus. Auf der Vorderseite waren Mammatus Wolken zu sehen. Mammatus bedeutet "mit Brüsten versehen". Diese Wolken haben eine beutelförmige Ausstülpung nach unten. Normalerweise sind sie auf der Rückseite eines Gewitters zu sehen. Wir sind uns nicht mehr sicher, ob es eine besondere Bedeutung hat, wenn man sie auf der Vorderseite sieht, deuten es aber als gutes Zeichen.





An der Westseite der Böenfront schaut eine Wolkenstruktur wie ein Zeigefinger hervor. An der Ostseite gibt es eine tiefe Wolkenformation, die an eine Wallcloud erinnert.



Nur was ist mit dem Niederschlag los? Obwohl das Gewitter inzwischen ziemlich nahe ist, kann man fast unten hindurchsehen. Vielleicht eine Low Precipitation (LP) Supercell, also eine Superzelle mit wenig Niederschlag? Da wir in Europa noch nie eine LP Superzelle gesehen haben, sind wir uns nicht sicher.



Als sich das Gewitter dann weiter nähert wird aber klar, dass es am sterben ist. Es hat seinen "Unterbau" aus Quellwolken fast völlig verloren und daher kaum noch Niederschlag produziert. Übrig blieb nur der Cirrusschirm und die Zelle zieht als Regenschauer mit einigen Tropfen über uns hinweg. Immerhin gelingen uns noch einige Fotos. Zerfallene Tankstelle mit Gewitterstimmung:



Auf dem Radar ist ebenfalls zu sehen, wie der Zelle kurz vor Colby die Puste ausgegangen ist. Notabene die einzige kräftige Zelle in Kansas heute. Da ist unsere Enttäuschung gross. Je höher die Erwartungen, um so grösser ist dann die Enttäuschung, wenn nichts passiert. Daher wollen wir für morgen mal besser nichts erwarten und lassen uns einfach positiv überraschen.

Bleiben heute mangels Tornado am Boden: Mähdrescher Marke "John Deere"



Tornado-Sicherheitshinweise im Motel:



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Text und Bilder ©2004 Markus Pfister, Mark Vornhusen